Abschleppunternehmen

Gestern, am Samstag, wollte ich eigentlich in Ruhe an der Buchhaltung arbeiten. Es haben sich wieder Belege angesammelt (wo die bloß immer alle herkommen…). Der Monat März geht zu Ende, und damit auch das erste Quartal des Jahres, eigentlich eine gute Gelegenheit, einen Finanzbericht zu erstellen.

Dann, um elf Uhr, bekam ich einen Anruf vom Pastor unserer Gemeinde. Er war am Freitag hier in Maroua mit einem Toyota Hilux Pickup aufgebrochen. Der Wagen war schwer beladen, ausserdem waren sieben Personen an Bord. Die Fahrt sollte in die Berge gehen, nach Gamboura. Nun, die Kombination aus Gewicht und Bergen ist wohl der Kupplung des Fahrzeugs nicht gut bekommen, jedenfalls meinte unser Pastor, dass sie die Nacht am Wegesrand verbracht hätten. Eigentlich hatte er bereits am Freitag Abend jemanden angerufen, damit der das Fahrzeug abschleppt, aber am Samstag um elf Uhr war der immer noch nicht eingetroffen.

Ich telefonierte ein wenig hin- und her, und erfuhr so, dass die bereits benachrichtigten Personen kein einsatzbereites Fahrzeug hatten. Also, was tun?

Ich sprach kurz mit Christel, und fasste den Entschluss, selbst loszufahren. Unser Mitarbeiter Sali war bereit, mich zu begleiten. So luden wir Wasser und ein wenig Proviant in unseren alten Landcruiser. Eine Kiste mit Seilen, Gurten, einem Greifzug und weiterem Zubehör steht sowieso fast immer im Fahrzeug bereit.

An einer Tankstelle füllten wir noch Kraftstoff nach, um genügend Reserven zu haben. Und gegen 14 Uhr waren wir an Ort und Stelle. Wir fanden das Fahrzeug leer und verlassen am Rand des Weges. Ein Esel stand in der Nähe, Personen waren nirgends zu sehen. Ich hupte zwei lange Töne mit der Pressluft-Fanfare, und der Esel stimmte mit ein. Dann machte er sich vom Acker.

Wir untersuchten das Fahrzeug. Eine Tür war nicht verschlossen, so konnten wir die Motorhaube öffnen. Da schlug uns der Geruch der verbrannten Kupplung entgegen. Die hydraulische Betätigung der Kupplung hingegen schien in Ordnung zu sein. Es war genug Flüssigkeit im System.

Von weitem sahen wir zwei Personen kommen, den Fahrer und einen Sohn des Pastors. Sie hatten den Schlüssel des Fahrzeugs bei sich. So konnten wir die Kupplung ausprobieren. Aber bei laufendem Motor und eingelegtem Gang bewegte sich das Fahrzeug keinen Millimeter. Die einzige Lösung war wirklich, das Fahrzeug abzuschleppen.

Die Ladung war ja offensichtlich bereits abtransportiert worden, und auch die Personenzahl hatte sich deutlich verringert. Das machte die Sache einfacher.

Der Fahrer erzählte später, dass zufällig ein Mann mit Hühnern an dem parkenden Wagen vorbei kam. Der Fahrer und der Sohn des Pastors kauften dem Mann einen Hahn ab, und schlachteten ihn am Wegesrand. Mit Hilfe des Zigarettenanzünders setzten sie Brennmaterial in Brand, und brieten den Gockel an Ort und Stelle. So verpflegten sie sich also während der Wartezeit.

Wir wendeten den Hilux, und ich wendete den Landcruiser. Doch am Hilux gab es vorn keinen Haken oder Öse, um ein Abschleppseil einhängen zu können. Ich hatte aber eine Kette im Fahrzeug, die legten wir um das vordere Ende des Rahmens. Ein Schäkel verband die Enden der Kette, und diente gleichzeitig als Abschleppöse. Daran befestigten wir ein handelsübliches ruckdämpfendes Abschleppseil, welches mal jemand aus Europa mitgebracht hatte. Am Landcruiser gab es eine wuchtige Anhängerkupplung mit Bolzen, dort wurde der andere Haken befestigt.

Landcruiser und Hilux stehen in karger Landschaft, das Abschleppseil ist vorbereitet.
Das Abschleppseil ist eingehängt, gleich kann es los gehen.

Ich vereinbarte mit dem Fahrer des Hilux noch, auf welches Signal wir anhalten würden. Ausserdem schärfte ich ihm ein, das Seil straff zu halten. Dann ging es los.

Zunächst fuhren wir einen relativ steilen Hang hinab, und andere Seite wieder hinauf. Ich fuhr langsam, teilweise musste ich bergauf in den ersten Gang zurück schalten. Als wir dann aus den Bergen heraus waren, fuhr ich etwas schneller.

Irgendwann rief Sali, der bei mir mitfuhr, dass die anderen nicht mehr hinter uns seien. Tatsächlich waren sie verschwunden, aber wir hatten auch kein Hupzeichen gehört. Wir stiegen aus, und sahen nach: Das Seil hing noch an unserem Fahrzeug. Und ein ganzes Stück zurück stand der Hilux mitten auf der Strasse. Ich legte das Seil auf den hinteren Stossfänger, und fuhr langsam rückwärts den Weg zurück.

Es stellte sich heraus, dass sich der Bolzen des Schäkels gelöst hatte und verloren gegangen war. Wir suchten eine Weile nach diesem Bolzen, gaben es aber schliesslich auf. Ich hatte noch zwei Schäkel in der passenden Grösse dabei, davon nahmen wir einen. Diesmal zog ich den Bolzen mit der Zange so fest, wie ich konnte. Ausserdem holte ich zwei Handfunkgeräte aus meinem Rucksack. An die hatte ich zunächst nicht gedacht, aber nun erklärte ich dem Sohn des Pastors, welche Taste er zum Sprechen drücken musste, und dass er zum Hören der Antwort die Taste wieder loszulassen hatte. Nach einem kurzen Test der Sprechverbindung verteilen wir uns wieder auf die Fahrzeuge. Sali, als Beifahrer, bekam also im Landcruiser die Aufgabe des Bordfunkers. Er kannte die Geräte bereits, wir hatten sie zuletzt zehn Tage früher beim Vermessen in Gamboura benutzt.

Blick am Fahrzeug längs: Staubiger Weg, wüstenähnliche Landschaft, in welcher einige Rinder nach Verwertbarem suchen.
Die Landschaft hat ihren Reiz, doch für eine Panne sollte man eine weniger abgelegene Stelle wählen.

Diesmal kamen wir nicht sehr weit. Während der Durchfahrt durch ein trockenes Flussbett hing wohl das Seil zu weit durch, jedenfalls gab es einen starken Ruck, als ich gegenüber die Böschung wieder hochfahren wollte. Sofort kam die Meldung über das Funkgerät: Der Haken am Hilux hatte sich gelöst. Das Sicherungsblech war verbogen, mit Hilfe der Zange konnten wir es aber gerade biegen.

Noch ein Stück weiter riss schliesslich das Seil in der Mitte durch. Wir knoteten es zusammen, und dieser Knoten hielt bis Maroua.

Inzwischen klappte die Zusammenarbeit immer besser, das Seil blieb schön straff, und es gab keine heftigen Rucke mehr. Ich fuhr immer schön langsam die Böschungen hoch, wenn wir durch einen der zahlreichen ausgetrockneten Wasserläufe fuhren. Die Funkgeräte halfen, denn so konnten wir uns gegenseitig Hinweise geben.

Für die Fahrt in der Stadt hatte ich mir Gedanken über die beste Route gemacht. Ich wählte eine Strecke, auf welcher ich nur rechts abbiegen musste, nie links, abgesehen von der Einfahrt auf das Gelände des Technischen Zentrums. Dort parkten wir den Hilux vor der Werkstatt. Der Bolzen des Schäkels liess sich mit meiner Zange nicht mehr lösen, also liessen wir die Kette vorläufig am Fahrzeug.

Wieder zuhause, waren seit dem Anruf sieben Stunden vergangen, und wir hatten etwa 160 km zurückgelegt. Ich war ziemlich müde, auch am nächsten Tag noch spürte ich jeden Muskel. Die Waage zeigte den Verlust von etwa zwei Kilogramm an, was sicher nicht nur am verpassten Mittagessen lag. Denn im Moment ist es recht heiss, das Thermometer steht für mehrere Stunden am Tag auf 40°C im Schatten.

Martin Pusch